Iron Butt SS1000M
[Saddle Sore 1600km/24h]
von
Martin F. und Jürgen Pfaff
Mai 2018
Reutlingen/Schwaben-Catania/Sizilien
oder
Santiago de Compostela
sehr lesenswert: Diabetiker-Ride Nordkap-Gibraltar
Abb.1: Übersichtskarte real 1800km in 24h-Reutlingen/Schwaben- Catania/Sizilien
Seit Jahren ploppt immer mal wieder die Idee auf, sich auf einen Einstiegsritt im Rahnen der Deutschen Ironbutt Association zu wagen. Durch unsere langen Heimfahrten von 1680 km oneway von Colombres in Nordspanien aus, bei teilweise kalten und widrigen Bedingungen, welches zumindest Martin einmal unter 24h geschafft hat, liegt es nahe, das zu versuchen.
Abb.2: Colombres-Tour im Oktober (http://www.motoclubindianos.com)
Der Ritt Ende Mai zu starten gen Süden in den Sommer nach Sizilien macht es einfacher die Zeit durchzuhalten, denn eines der wichtigsten und am schwersten zu kalkulieren Probleme ist die Müdigkeit.
Es soll der „SS1000“ sein, Saddle Sore 1000 Meilen in 24h, Sitzfleischschmerz 1000, d.h in 24 h 1600 km zu befahren und von Reutlingen nach Catania sind es 1860km.
Abb.3: START- Reutlingen mit Blick auf den Hausberg Achalm, Längengrad von Reutlingen: 9.2038043, Breitengrad von Reutlingen: 48.5069389,
GPS: 48° 30′ 24.98″ N 9° 12′ 13.695″ E
Abb.4: ZIEL-Catania mit Blick auf den Ätna, Längengrad von Catania: 15.0830304, Breitengrad von Catania: 37.5078772, GPS: 37° 30′ 28.358″ N 15° 4′ 58.909″ E
Danach Ruhe, die Insel mit ihrer Frühlingsschönheit und das überwältigende griechische und römische Erbe genießen, um danach relaxt den italienischen Stiefel entlang der Ostseite/Adria zu erkunden. Martin kann gut italienisch und ich ess gerne italienisch. Da kann nix schief gehen. Insgesamt sollen es 2 Wochen gesamt sein. Warum nicht 2 Monate? Nun das dauert noch ein paar Jährchen, dann ist das Mopped auf einem Anhänger und wird von einem ausgebauten Camper gezogen. Doch erstmal sollen 2 Wochen genügen.
Mautstraßen in Italien:
Oder….
Reutlingen-Santiago di Compostella in 24h/1960 km
Von einem, der auszog …
… ohne recht zu wissen, warum. 22 Stunden und 1716 Kilometer später ist er wieder zurück und hat noch immer keine Antwort darauf gefunden. Aber immerhin ist er jetzt Mitglied der »Iron Butt Association« – ein Eisenarsch.
Text + Fotos: Uli Böckmann / 04.08.2010
Alles begann mit einer harmlosen Frage meines Frisörs: »Schon mal von der Iron Butt Association gehört?« »Gemeinschaft der Eisenärsche? Wassoll’n das sein?« Bei dem Namen klingelte es bei mir zwar irgendwo ganz hinten, aber ich war nicht schnell genug an der Tür. »Um ein Eisenarsch zu werden, musst du 1000 Meilen in 24 Stunden abreiten.« »Die gibt’s doch nicht etwa wirklich?« »Hat dein Frisör dich je belogen?« Hat er nicht.
Bald wusste ich mehr über diesen ungewöhnlichen Club, der seinen Mitgliedern zunächst einmal einen »Sattelschmerz« abverlangt. Der »Saddle Sore 1000« ist dabei die sanfteste Folter, die von den weltweit rund 40.000 Mitgliedern der Iron Butt Association (IBA) durchlitten werden muss. Nur wer diesen Ritt gemäß der Regeln nachweist, wird Mitglied der Iron Butts. Es geht auch schlimmer, doch wer sich den »Bun Burner« (1500 Meilen/36 Stunden) oder gar den »Bun Burner Gold« (1500 Meilen/24 Stunden) gönnt, der tut das nur, um sich den bereits erworbenen Eisenarsch aufzupolieren. Denn mehr als eine Urkunde, die einen daran erinnert, dass man mindestens einen Tag in seinem Leben sinnfrei Kilometer fressend verbracht hat, gibt es auch für diese Grausamkeiten nicht. Warum tut man sich so etwas an?

Wenn das Ganze eine rein amerikanische Angelegenheit wäre, würde man es nicht weiter hinterfragen, doch der Blick ins IBA-Forum belegt, dass es sich um einen sehr internationalen Club handelt, Bemerkenswert dabei, wie wichtig es einem Eisenarsch ist, über seine (Tor-)Tour Zeugnis abzulegen, die langen Tourberichte beginnen nicht selten mit Formulierungen wie »Today I finished my Bun Burner …« oder »Just arrived from my 1000-Mile-Ride through Tasmania …«. Diese Jungs reiten endlos durch Tag und Nacht, und kaum angekommen setzen sie sich hin und schreiben sich die Kilometer aus dem Kopf.
Die Statistik zeigt, dass sich die weitaus meisten dokumentierten Iron-Butt-Ritte mit Harleys auf den US-Highways abspielen, besonders ins Auge fallen aber die Eisenärsche aus weniger gut asphaltierten Ecken der Erde, etwa Guilherme Couto de Castro aus Muriae in Brasilien, der den Saddle Sore 1000 auf einer Yamaha YBR 125K durchlitt. Oder Akshay Kaushal aus Gujarat in Indien, der sich die Nummer auf einer Bajaj Pulsar 180 gegeben hat. Die Fragezeichen werden größer, wenn man dann noch realisiert, dass die meisten direkt den nächsten Ritt ankündigen, Keith Adams aus Meridian in Idaho beginnt gar mit den Worten: »For any one reading this, I must say, this was the best time of my life.« Wen macht das nicht neugierig?
Ich habe es also selber versucht und dabei auch gleich der neuen Triumph Thunderbird SE auf den Zahn gefühlt, quasi die Trittbrett-Version des englischen Power-Cruisers, die sich ja durch eine besondere Tourentauglichkeit auszeichnen soll. Selten hatte ich mehr gehofft, dass das auch stimmt, nachfolgend das Tour-Protokoll dazu. Vielleicht sollte der kategorische 1000-Meilen-in-24-Stunden-Ritt ja zukünftig zum Standard-Programm jedes TF-Tourentests gehören? Ich werde das bei den Kollegen mal vorschlagen – oder vielleicht lasse ich es doch besser … •

TOURPROTOKOLL
Die 16-Bundesländer-Tour
13. April, 14:48 Uhr
Tankstelle Hehs in Euskirchen
10,26 Liter getankt
Jetzt gibt es kein Zurück mehr, bin auf dem Weg zur A 1. Habe laut Routenplan jetzt noch exakt 1715 Kilometer vor mir, den ersten hab’ ich gerade schon souverän hinter mich gebracht. Bis jetzt noch immer alles gut. Werde einen großen Donut durchs Land fahren, dabei jedes der 16 Bundesländer unserer Republik besuchen und Tankquittungen sammeln, bis der Arzt kommt. In spätestens 24 Stunden muss ich wieder zurück sein. Mach’ ich das jetzt etwa wirklich? Wie bescheuert ist das eigentlich?!

13. April, 17:16 Uhr
Tankstelle Rösner in Heek
12,70 Liter getankt
Zäh an Köln und dem Ruhrpott vorbeigekommen und keinen meiner vielen Freunde dort besucht, jetzt kerzengerade Schussfahrt auf der A 31 nach Norden – dieses Asphaltlineal heißt nicht umsonst »Ostfriesenspieß«. Moped sehr bequem, Motor bärig, insgesamt sehr gutes Unterhaltungspaket. Hab außerdem den Helm voller Musik, Coldplay, Ya Basta und Calexico verkürzen die lange Zielgerade Richtung Küste erheblich. Hier hat auch die laszive Tante aus dem Navi Sendepause, die sich sonst immer so gern in den Vordergrund säuselt. Die Sonne steht tief und wärmt mir das Kreuz. Immerhin.

13. April, 19:21 Uhr
AB-Tankstelle Wildeshausen
13,85 Liter getankt
Bin so gut in der Zeit, dass ich mir viele Pausen erlaube und die vielen Kaffeeautomaten teste, an denen ich vorbeikomme, zwangsläufig beziehe ich auch die Toilettenhäuschen in die Erhebung mit ein (beides etwa im Bereich 2 minus). Die Nacht kündigt sich behutsam an, es wird kühler, und der kleine Bildschirm des Navis hat sich bereits selbstständig für die Nachtansicht entschieden, digital ist um mich herum schon alles schwarz. Es läuft wie geschmiert, wenn’s so bleibt, bin ich um acht Uhr morgen früh wieder zurück. Ha. Die Sitzposition hat was Königliches, der Windschutz ist super. Könnte in Bremen jetzt meinen bekloppten Cousin besuchen, den ich so selten sehe. Das soll auch besser mal so bleiben. Gebe mir ein Hörbuch aufs Ohr: »Die purpurnen Flüsse«. Kommissar Pierre Niémans ermittelt im ewigen Eis der französischen Alpen. Sauspannend. Es ist jetzt nicht mehr kühl. Es ist schweinekalt.

13. April, 23:24 Uhr
AB-Tankstelle Valluhn
16,57 Liter getankt
Vier Stunden für 200 Kilometer! Tss! A1-Vollsperrung mitten in einer endlosen Baustelle, deshalb keine Gasse in der Mitte, die für die Thunderbird breit genug gewesen wäre. Stehe fast eine halbe Stunde auf dem Seitenständer und lerne einen netten bulgarischen Lkw-Fahrer neben mir im Stau kennen. Unterhalten uns in einer Sprache, die wir beide nicht kennen, und haben viel zu lachen. Später dann große Teile der Norddeutschen Tiefebene auf diversen, gänzlich uninteressanten Bundesstraßen kennen gelernt und dabei ohne Ende Zeit verloren. Ich muss es jetzt laufen lassen. Wollte in Hamburg eigentlich Marlene mit einer überraschenden Stippvisite in Verlegenheit bringen, aber die ist zum Glück eh’ nicht da. Spreche ihr im Vorbeifahren auf den AB.

Hier weiter lesen:
Teil 2: Wie kommt ein Eisenarsch durch die Nacht?

14. April, 00:54 Uhr, KM 717
AB-Tankstelle Walsleben
15,95 Liter getankt
Über mir funkeln die Sterne, unter mir thundert die Bird, inzwischen mach ich das gerne, falls irgendjemand mich hört … Bin jetzt zehn Stunden unterwegs und habe erste mentale Aussetzer, versuche schon alles in Reimform zu denken. Vorhin hat SIE angerufen, ich wusste, dass das noch kommt: »Uuund …?« Ich kenne SIE lange genug, um zu wissen, wie viele Einzelfragen sich hinter diesen wenigen Buchstaben verbergen: 1. »Kannst du noch?« 2. »Bist du schon weit?« 3. »Musst du noch lange?« 4. »Hast du was gegessen?« 5. »Bist du eigentlich noch ganz dicht?« Ich beantworte alle Fragen auf einen Schlag mit »Janöjaja, denke doch« und wünsche ihr rasch eine gute Nacht, denn SIE gehört jetzt ins Bett. Die Bahn gehört mir jetzt fast allein, und so soll’s wohl auch weiterhin sein. Wie fein. Ich hab’ Hunger, kann mir darauf aber keinen Reim machen. Höre ein bisschen Radio und stelle fest, dass um diese Uhrzeit hauptsächlich Fahrstuhlmusik versendet wird. Habe noch etliche Stockwerke vor mir und switche um auf MP3 – Miles Davis, Kind Of Blue … so fühle ich mich auch.

14. April, 01:47 Uhr
AB-Tankstelle Wolfslake-West
4,15 Liter getankt
Zwangsbetankung, Blasenleerung. Habe zwar noch satt Sprit, muss aber an dieser Tanke tanken, um eine Quittung dafür zu haben, dass ich auch tatsächlich hier war, zumindest wesentliche Teile von mir. Für Pause eigentlich keine Zeit, zwinge mich deshalb zum raschen Aufbruch, obwohl der Espresso-Automat eine verdammt gute Stütze ist. Ich fahr durch McPomm in der Nacht, hast du schon Dümmeres gemacht …? Bin zwar offensichtlich der einzige Mensch auf der Welt, aber es läuft. Die Thunderbird hat sich einen neuen Freund gemacht, wenn es um die Autobahn geht. Warum ruft mich bloß keiner an?

14. April, 03:09 Uhr
Autobahn-Tankstelle Köckern-West
15,95 Liter getankt
Wie heiß’ ich? Wo bin ich? Die letzte Stunde kam mir vor wie drei. Begrüße jede Kurve persönlich und gebe ihr einen hässlichen Namen. Habe über meine Steuererklärung, den letzten Alpenurlaub, die Fußball-Nationalmannschaft und Flugthrombosen nachgedacht, erschwerenderweise gleichzeitig. Bin deshalb zu dem Schluss gekommen, dass die Mehrwertsteuer dann in Serpentinen entrichtet werden sollte, wenn im Strafraum ein Stützstrumpf vergraben ist. Überlege, wen ich sofort anrufen könnte, um ihm das zu erzählen. Dann überlege ich, ob ich vielleicht verrückt werde. Oder ob ich’s längst bin. Die Bahn ist immer noch nahezu leer, und wenn der Donnervogel selber mal anhält, weckt er dutzende Trucker auf dem in nächtlicher Stille liegenden Parkplatz. Echt guter Sound, den der fette Twin da in die Nacht rausdrückt, so ab 5000 Touren wird’s richtig böse, da rumpelt’s nur so in den Fahrerkabinen. Ich denke gerade daran, dass die meisten Bäcker jetzt aufstehen müssen, da riecht’s im Helm auch schon nach frischen Brötchen – sagenhaft, diese neuartigen Kommunikationsanlagen.

14. April, 04:30 Uhr
Autobahn-Tankstelle Frankenwald-West
12,77 Liter getankt
Irgendwas ist passiert, ich bin nicht mehr müde. Ich fühle mich wie ein empfindungsfreier Autopilot, obwohl ich auf dem Motorrad sitze. Steigere mich bisweilen in die Vorstellung hinein, dass ich nicht die Thunderbird fahre, sondern sie mich – pfff … , soll sie doch. Sie macht das gut, verdammt gut macht sie das. Rund 14 Stunden sitze ich jetzt im Sattel, doch ist vom »Saddle Sore«, dem Sattelschmerz, noch nichts zu merken. Ich hab’ zwar den Kaffee restlos auf, aber mir tun die Knochen nicht weh, eigentlich gar nicht. Kann nicht umhin, das Moped noch einmal zu loben: souveräner Mops, ohne Abstriche. Absolut Highway-tauglich. Schade nur, dass in die Koffer etwa so viel reinpasst wie in die Handtasche meiner Tante Edeltraut. Vorhin hat Theo angerufen, mitten in der Nacht. Er sagte, er hätte sich extra den We-cker gestellt dafür, aber ich kenne Theo und weiß, dass er nur mal pullern musste. Trotzdem nett, mich mitten in der Nacht daran zu erinnern, dass er noch einen Hunni von mir kriegt. Das gibt mir für eine gute halbe Stunde zu denken. Ist schon verdammt schön, wenn man Freunde hat.

14. April, 05:57 Uhr
AB-Tankstelle Kammersteiner Land
13,23 Liter getankt
Ich zähle jetzt bereits neun Tankquittungen, 1215 Kilometer liegen hinter mir, zwölf Bundesländer habe ich bereits im Sack. Die Zeit spielt jetzt keine Rolle mehr, auch der Raum verliert an Bedeutung, eigentlich ist mir alles wurscht. Ich denke nur noch an den finalen Moment, versuche im Geiste – zwei im Sinn – zu errechnen, zu welcher Uhrzeit dieser fragwürdige Trip in etwa sein Ende finden könnte, und komme auf jede Menge Ergebnisse. Doch bleibt bei jedem unterschwellig das Gefühl, es könnte vielleicht doch eng werden. Noch so ein Klopper wie gestern Abend auf der A 1 und eine ordentliche Portion Berufsverkehr in den endlosen Baustellen der Rhein-Main-Ecke, und ich kann mir die Urkunde abschminken. Was grundsätzlich vollkommen egal ist, prinzipiell ohne Bedeutung. Aber alles, nur das nicht!

Hier umblättern:
Teil 3: Uhren machen keine Pausen.

14. April, 07:49 Uhr
Autobahn-Tankstelle Kraichgau-Nord
11,86 Liter getankt
Deutschland ist jetzt wach, ohne jeden Zweifel. Die Straßen sind voll, verschlafene Gesichter lugen aus beschlagenen Scheiben. Und umgekehrt. Bisher blieb Regen mir erspart, und auch hier sind zwar die Straßen noch klatschnass, aber von oben kommt nichts mehr nach. SIE ruft an: »Uuund …?« » Janöjaja, denke doch.« »Gut, wenn du früh genug kommst, bring’ Zwiebeln mit. Und das Klopapier ist alle.« Wie redet DIE eigentlich mit mir? Ich bin bald ein Eisenarsch, ich brauche dann kein Klopapier mehr. Aber ich finde keine Antwort auf die Frage, ob ich dann noch Zwiebeln brauche. Auch den Grund, warum Frauen echt so schwer zu beeindrucken sind, suche ich vergebens. Nur weiter. Tralala, tralala, traha-la-la!

14. April, 08:33 Uhr
Tankstelle in Mannheim
4,87 Liter getankt
Im Buddhismus ist das Rezitieren von Mantras während der Meditation üblich, sie können sprechend, flüsternd, singend oder in Gedanken rezitiert werden. Das geht auch auf dem Motorrad: »Ich tanke gerne. Tanken ist ein teures Geschenk des Himmels, es bringt mich weiter und erhöht meinen physischen Radius. Es erhält auch die geistige Reichweite und bietet mir dann Reserven und Koordinaten, wenn ich sie brauche. Ich tanke gerne. Tanken ist …« usw. Flüsternd gesungen ein echter Ohrwurm, allemal geeignet, den einsamen Reiter zwischen der Pfalz und dem Saarland auch in Stunde 18 im Sattel noch aufrechtzuhalten. Aber die Gegend ist schön, soweit ich das noch beurteilen kann. Und der Himmel scheint blau zu sein. Noch sechs Stunden Zeit für die letzten 300 Kilometer. Ich spüre, wie mein Hintern sich schon in Vorfreude verhärtet. Deutlich. Bin allerdings auch lange mit einer elementaren Frage beschäftigt: Kann man einen Eisenarsch zusammenkneifen? Und muss ich ihn der Krankenkasse melden?

14. April, 09:33 Uhr
Tankstelle Müller in Freisen
11,74 Liter getankt
Wieder eine der vielen Pflichttanken. Wieder ein Kaffee, obwohl ich weiß, dass das nicht hilft, und wieder eine neue Autobahn, obwohl mein Bedarf schon reichlich gedeckt ist. Bin erstaunt, wie viele A’s ich noch nie zuvor gefahren bin. Erster neugieriger Anruf aus der Redaktion, recht knapp im Text: »Wo bisse?« Ein wenig Sorge schwingt in der Stimme mit, ich weiß jedoch nicht, ob wegen mir oder wegen der Story. »Alles prima, bin in sechs Stunden in Barcelona.« Schweigen. »War’n Witz. Bin gleich wieder bei euch. Kurz vor vier sollte ich jedenfalls schaffen.« »Waas! Du musst um kurz vor drei wieder hier sein!!« »War schon wieder’n Witz. Um eins bin ich da. Kannst die Fähnchen verteilen.« »Drei Witze hintereinander, Respekt. Bis später.«

14. April, 11:24 Uhr
Tankstelle Zur Schneifel in Olzheim
12,08 Liter getankt
Die tausend Meilen sind jetzt schon voll, am Ziel bin ich jedoch immer noch nicht. Um den Donut zu schließen, muss ich es noch zurück nach Euskirchen schaffen. Aber das sind nur noch 60 Kilometer, und ich habe immer noch fast dreieinhalb Stunden. Vorhin einen schönen Wanderparkplatz mit Aussicht auf der B 51 gesucht und vorsätzlich Zeit vergeudet, indem ich eine halbe Stunde lang auf einen Punkt am Horizont starre. Herrlich. Keiner drängt mich zum Aufbruch. Ich lasse die letzten 21 Stunden noch einmal Paroli laufen: vom Rheinland aus am Ruhrgebiet vorbei Richtung Friesland, dann über Bremen und Hamburg nach Berlin, von dort Richtung Leipzig, Würzburg, Mannheim und durch die Pfalz und das Saarland zurück nach NRW. Aber wofür nur?!? Wird Zeit, dass ich eine Antwort darauf finde.

14. April, 12:11 Uhr
Tankstelle Hehs in Euskirchen
5,79 Liter getankt
Vollbracht! 1716 Kilometer nach dem Start vor rund 22 Stunden bin ich wieder zurück und stecke zum vierzehnten und letzten Mal die Zapfpistole in den bauchigen Tank, zum ersten Mal hat das etwas Erotisches … nein, eher etwas Heiliges – wobei das ja oft nah beieinanderliegt, wie man inzwischen weiß. Habe mir die finale Quittung geholt und bin auf eine merkwürdige Art und Weise zufrieden, würde ich Triumphgeheul anstimmen, käme es allerdings wohl etwas gedämpft rüber. Denn erstens fühlt sich diese finale Quittung auch ein wenig an wie die letzte Ölung, und zweitens habe ich eine Frage im Ohr, die mir demnächst bestimmt öfter gestellt wird: »Stimmt es, dass du in 22 Stunden gut 1700 Kilometer gefahren bist und dabei alle 16 Bundesländer einmal berührt hast?« »Stimmt.« »Aha. Und warum?« »Weil ich ein Eisenar… also weil ich bei den Eisenär… also, öh … – ach nichts.« Ich werde es wohl besser für mich behalten.

Iron Butt Association
»THE WORLD IS OUR PLAYGROUND«
Die Iron Butt Association (IBA) ist ein amerikanischer Club von Motorrad-Langstreckenfahrern, dessen aktuell rund 40.000 Mitglieder sich allerdings inzwischen in aller Welt finden. Auch viele deutsche Motorradfahrer sind bereits zertifizierte »Eisenärsche«.
Der Club erhebt keine Mitgliedsbeiträge, auch ein Vereinsleben im eigentlichen Sinne ist nicht vorgesehen, seit neuestem wird jedoch für die zahlreichen Mitglieder ein eigenes Magazin herausgegeben (s. Abb.).

Gründer und Präsident der IBA ist der Amerikaner Michael Kneebone, der den lange gehaltenen Motorrad-Guinness Weltrekord von 64 Stunden für die Strecke von New York bis nach San Francisco auf 47 Stunden und 41 Minuten drückte. Damit war er der Erste, der von der Atlantik- an die Pazifikküste der USA auf dem Motorrad weniger als 50 Stunden benötigte. Er erhöhte außerdem den Ausdauer-Rekord auf 1704 Meilen in 24 Stunden, durchbrach die »50.000 Meilen in 6 Monaten«-Grenze und setzte gemeinsam mit Fran Crane den IBA-Rekord für »48 US-Bundesstaaten« auf sechs Tage, 13 Stunden und 22 Minuten. Mitglied der IBA kann jeder werden, der mindestens einen »Saddle Sore 1000« dokumentieren kann, also eine Fahrt über 1000 Meilen (1610 km) in weniger als 24 Stunden. Diese Dokumentation erfolgt über Augenzeugen für Abfahrt und Ankunft sowie über die eingereichten Tankquittungen. Es gibt weitere Kategorien der IBA, die beurkundet werden, dazu jedoch mehr in einem separaten Kasten.
Kontakt unter: www.ironbutt.com

Iron Butt Germany
»GENUG TOUGHE FAHRER GIBT´S AUF JEDEN FALL«
Im November des letzten Jahres wurde Gerhard Memmen-Krüger aus Krefeld von IBA-Präsident Mike Kneebone authorisiert, die Iron Butt Association Germany zu gegründen. Seit Februar dieses Jahres ist die IBA Germany nun auch tatsächlich aktiv und online. Das Ziel des 53-jährigen Software-Entwicklers ist es, dass in den nächsten Jahren auch in Deutschland eine feste Gemeinschaft entsteht, die das Long-Distance-Riding zum Hauptthema hat.

Dabei sollte die IBA Germany seiner Vorstellung nach inhaltlich und organisatorisch von vielen Begeisterten getragen werden, weshalb Anregungen, Wünsche und Kritik ausdrücklich erwünscht sind. »Das Motorradfahren und besonders das Long-Dis- tance-Riding gehören zu meinen liebsten Hobbys, und nach der Teilnahme an fünf Iron Butt Rallyes in den USA lag es für mich nahe, dass ich mich in meiner Freizeit für eine IBA Germany engagiere. Mike Kneebone hat mir alle IBA-Kontakte in Deutschland weitergegeben, das ist schon mal ein guter Start.« Doch es gibt weitere Pläne, so soll schon im September dieses Jahres die erste organisierte 24-Stunden-Langstrecken-Rallye der IBA Germany, der »1. German Butt«, über die Bühne gehen. »Daran kann jeder interessierte Motorradfahrer teilnehmen, da ist jeder herzlich eingeladen. Im Rahmen der Rallye bieten wir auch die Zertifizierung eines Saddle Sore 1000 an«, so Gerhard Memmen-Krüger. Die Rallye-Unterlagen können über die Internetseite der deutschen Eisenärsche angefordert werden.
auch sehr lesenswert Nordkap-Gibraltar in 72h von einem Diabetiker gefahren: http://4pb.de/index.php?id=NG72